Spätestens dann, wenn einem Giftködermeldungen in den sozialen Medien auffallen oder man entsprechende Warnungen in der Tierarztpraxis, Tageszeitung und an Schwarzen Brettern liest, weiß man, dass die Gefahr im allernächsten Umfeld lauern kann. Dabei spielt es keine Rolle, ob man in der Stadt oder ländlich wohnt. Hundehasser sind überall aktiv, selbst im allerkleinsten Dorf, auf Wiesen und Feldwegen. Die Sorge um den geliebten Vierbeiner ist nicht unbegründet, trotzdem sollte man nicht in Panik geraten.
Von Müllschluckerhunden und Hundehassern
Ist Ihr Hund ein Müllschlucker?
Unsere Vierbeiner lieben es, auf Wiesen und Feldwegen, in Parks oder im Gebüsch im Stadtwald herumzulaufen und die Welt schnüffelnd zu erkunden. Über so manche vermeintliche Beute, sprich Unrat, Essensreste sowie Stoffwechselprodukte tierischer und menschlicher Herkunft, freut sich der Hund. Wahrscheinlich liegt es in seinen wölfischen Genen, denn Nahrung heißt Überleben. Und außerdem scheint so mancher Abfall für den Hund ein wahrer Genuss zu sein, denn der sonst so gut erzogene und wohlgenährte Fellfreund verwandelt sich in einen Müllschlucker.
Hundehasser und Tierquäler
Gerade da wo die Hunde gern herumschnüffeln und zum „Schatzsucher“ mutieren, lauern die Gefahren. Beinah täglich sterben unsere geliebten Begleiter auf elendige Weise, weil Hundehasser und Tierquäler Giftköder auslegen. „Giftköder sind ein großes Problem, besonders in Berlin. Statistisch gesehen wird hier alle vier Tage Gift entdeckt“, berichtet Sascha Schoppengerd, Mitinitiator des privaten Internetangebots Giftköderradar. Er befürchtet eine noch viel höhere Dunkelziffer, da nicht alle Giftködervorfälle gemeldet werden. „In 2015 sind rund 1800 Meldungen aufgenommen worden (im Vergleich zu 1.277 Meldungen im Vorjahr), allerdings sei nur in rund 100 Fällen Anzeige bei der Polizei erstattet worden. Und genau da liegt das große Problem“, sagt Schoppengerd.
Hundehasser legen gezielt „Leckerlis zum Töten“ im dichten Gebüsch, in Parks, in Hundeauslaufgebieten, am Wegesrand, auf der Rasenfläche und auch auf Feldwegen aus. Für den Hund wirken diese wie ein tolles Mahl, und unbemerkt schlingen sie ihren gefährlichen Fund herunter. Manchmal sind es mit Rattengift angereicherte Fleischbällchen und Wurstscheiben oder Hackklumpen, die mit Nägeln, Rasierklingen oder Scherben gespickt sind. Die Kreativität der Tierquäler, die den möglichen Tod des Hundes einplanen, ist erschreckend. Es werden immer wieder neue Varianten der Gift-Leckerlis gemeldet. Auch Schneckenkorn ist eine große Gefahr. Diese Giftköder können auch von anderen Tieren und sogar von Kindern aufgenommen werden. Wird die Gefahr nicht erkannt, kämpfen die Tiere mit dem Tod. Das Sterben eines vergifteten Tieres ist grausam und unerträglich mitzuerleben.
Über Giftköder informieren und vorbeugen
Zum Glück gibt es durch die sozialen Medien und Giftköder-Warn-Apps fürs Mobiltelefon täglich eine aktuelle Gefahrenwarnung. Auf www.giftkoeder-radar.com und deren gleichnamige Facebookseite kann sich der Hundehalter über Giftköderfunde informieren, die dem Betreiber über vorsätzlich ausgelegte Giftköder gemeldet wurden, und vor allen Dingen Meldungen über Funde weitergeben. Die Gefahrenzonen in Deutschland, Österreich und der Schweiz werden dann entsprechend gekennzeichnet.
Sicherlich kann man seinen Hund vor der Aufnahme eines Giftköders nicht wirklich schützen, aber jeder Hundehalter kann vorausschauend handeln. Wer sich gut informiert, weiß, ob er in einem Warnbereich wohnt. Dann gilt es diesen zu meiden oder sehr wachsam zu sein. Sicherheitshalber sollten die Hunde nicht mehr frei laufen, man muss den Vierbeiner genau im Blick haben. Einige Hundehalter setzen ihrem Tier als Vorbeugungsmaßnahme einen passenden Maulkorb auf. Wer sich für so diese Massnahme entscheidet, sollte an ein langsames und sorgfältiges Gewöhnungstraining mit seinem Hund denken.
Anti-Giftköder-Training
Mit einem speziellen Anti-Giftköder-Training kann der Hund lernen, dass er Futter nicht einfach vom Boden aufnehmen darf. Er wird dazu erzogen, die gefundene Leckerei anzuzeigen, aber auf keinen Fall aufzunehmen. Aber Hunde neigen nun einmal dazu, sich unverhoffte Bodenfunde einzuverleiben, und es bedarf eines langen, intensiven Trainings, um mit „Hund zeigt an, lässt es liegen und fordert eine Belohnung beim Besitzer an“ Erfolg zu haben.
Die erfahrene Anti-Gift-Köder-Trainerin und Autorin des gleichnamigen Buches, Sonja Meiburg, beschreibt, welche Methoden oft genutzt werden, um unerwünschtes Verhalten abzustellen, dafür aber gänzlich ungeeignet sind. „Damit meine ich zum Beispiel, den Hund anzuschreien. ,Nein‘ oder ,Pfui‘ zu rufen, ihn womöglich zu schlagen, an der Leine zu rucken oder ihm konsequent jedes Mal hinterherzulaufen, wenn er etwas im Maul hat, bis er Ihnen seine Beute endlich überlässt.“ Also: nicht herumbrüllen, sondern lieber ein fundiertes Training einplanen. Mehr dazu lesen Sie hier in dem Artikel „Übungsprogramm für Staubsauger-Hunde„.
Bei Gefahr sofort handeln
Sollte der Hund beim Spaziergang etwas aufgenommen oder verschlungen haben, und der Verdacht zeichnet sich ab, dass es sich um einen Giftköder gehandelt hat, darf man nicht lange überlegen, sondern muss sofort handeln. Bevor man sich auf den Weg zum nächsten Tierarzt oder Tierklinik macht, sollte man noch etwas von dem Futter (falls vorhanden) und dem möglichen Erbrochenen mitnehmen.
Notfalltipps der Tierarztin
Erste Hilfe bei Vergiftungen des Hundes!
Die Aufnahme von Gift ist eine der schlimmsten Befürchtungen eines jeden Hundebesitzers. Um noch größeres Unheil zu verhindern, sind in einem solchen Fall Schnelligkeit, Konsequenz und die Wahl der richtigen Gegenmaßnahme entscheidend.
Trotz Sorgfalt und Umsicht des Herrchens können Vergiftungen des Hundes leider nicht immer verhindert werden und sind auch nur über einen „dummen Zufall“ schnell passiert. Um den Hund vor den leidvollen Folgen zu schützen, muss man wissen, was giftig ist, wie es wirkt und wie dem entgegengesteuert werden kann.
Der „Klassiker“: Rattengift
Zur Bekämpfung der kleinen Schadnager in Ställen, Hinterhöfen oder Schuppen ist Rattengift immer noch sehr weitverbreitet. Leider wird nicht immer Wert auf eine sichere Deponierung des Giftes gelegt, sodass andere Vierbeiner es versehentlich aufnehmen können. Der enthaltene Wirkstoff Cumarin entfaltet seine Wirkung erst zwei bis fünf Tage nach seiner Aufnahme, und es kommt erst dann zu Symptomen, wenn es bereits zu spät für eine Behandlung sein könnte.
Cumarin bewirkt im Körper eine Aufhebung der Blutgerinnung, wodurch es zu unkontrollierten Blutungen kommt. Die Symptome äußern sich in Erbrechen, Abgeschlagenheit, sehr hellen Schleimhäuten und blutigem Durchfall. Zudem entstehen nach und nach punktuelle Rötungen am Bauch und am Zahnfleisch, die auf innere Blutungen hinweisen.
Typischerweise sieht das gestreute Gift wie kleine blaue Kügelchen aus. Wird der Hund beim Fressen beobachtet, muss unverzüglich ein Tierarzt aufgesucht werden. Dieser verabreicht ein Brechmittel, welches das Gift aus dem Magen befördert. Zusätzlich ist die Gabe einer hohen Dosis Vitamin K notwendig, denn dieses fördert die Blutgerinnung und wirkt so dem Cumarin entgegen.
Ab durch die Hecke: Schneckengifte
Um die „heiligen“ Rabatten und Gemüsebeete zu schützen, wird sehr gern Schneckenkorn eingesetzt – dieses wirkt über seinen Wirkstoff Metaldehyd, das einen süßen Geschmack besitzt und dadurch den Hund zum Fressen verleitet. Es wirkt ab einer Aufnahme von 0,5 Gramm pro Kilo Körpergewicht toxisch. Bereits eine halbe Stunde nach der Giftaufnahme treten die ersten Symptome auf. Der Hund speichelt stark, erbricht sich, krampft und bekommt Durchfall.
Erste Hilfe kann mit der Gabe von Kohletabletten geleistet werden, die das Gift im Magen absorbieren. Anschließend sollte schnellstens ein Tierarzt aufgesucht werden.
Rabattenhelfer: Stickstoffdünger
Blühen dank Düngen: Viele Pflanzendünger enthalten Stickstoff und Phosphate, die in großen Mengen zwar nicht zwingend tödlich, aber in jedem Fall sehr ungesund für den Hund sind. Die Symptome zeigen sich relativ schnell, wobei meist Erbrechen zu beobachten ist. Klassisch ist auch ein taumelnder Vierbeiner, der zu Krämpfen neigt und orientierungslos bis apathisch wirkt.
Die Gabe von Kohle und ausreichend Wasser puffert die schädliche Wirkung ab und kann dem Hund sofort helfen. Geht es ihm trotzdem weiter schlecht, braucht er medizinische Hilfe.
„Dorn im Auge“: Carbamate und Organophosphate
Heiß diskutiert und immer noch im Einsatz sind Pestizide, die zum Schutz der Pflanzen vor Schädlingsbefall eingesetzt werden. Die Pflanzenschutzmittel können durch direkte Aufnahme, Einatmung oder auch über die Haut eindringen. Kommt der Hund versehentlich in Kontakt, beginnt er stark zu sabbern, und seine Muskeln zittern unkontrolliert. Er erbricht sich häufig, kann sich nicht mehr orientieren und verliert das Gleichgewicht.
Ein Tier mit starken Symptomen muss unverzüglich zum Tierarzt. Ist die Haut mit dem Gift in Berührung gekommen, muss der Hund sofort abgewaschen werden.
Heimtückische Verführung: Frostschutzmittel
Frostschutzmittel enthält Ethylenglykol, das süß schmeckt und hochgradig giftig ist! Schon kleine Mengen lösen Kreislauf- und Nierenversagen aus, die zum Tod führen. Der giftige Wirkstoff ist auch in Enteisern für Türschlösser, in Bremsflüssigkeiten, in Lacken und Farben zur Verbesserung der Streichfähigkeit enthalten. All diese Stoffe bitte sicher vor dem Hund verstauen!
Kurz nach der Aufnahme der giftigen Flüssigkeit zeigt sich ein Torkeln des Tieres sowie Erbrechen, bevor es zu Schläfrigkeit bis hin zu Schock und Koma kommt. Nach einer scheinbaren Verbesserung des Zustandes beginnen sich Abbauprodukte des Ethylenglykols zu bilden, die das zentrale Nervensystem schädigen und zum tödlichen Nierenversagen führen.
Bei Giftaufnahme ist deswegen größte Eile geboten, und es müssen Atmung und Kreislauf aufrechterhalten sowie ein Gegengift verabreicht werden. Eine Erste Hilfe mit Kohle ist wirkungslos.
TEXT und FOTOS Sabina Pilguj