Tierärztin und Expertin für Verhalten von Hunden Sophie Strodtbeck machte das „Hobby“ Hund zum Mittelpunkt ihres beruflichen Lebens. In Seminaren für Halter, Trainer, Mediziner und Züchter teilt sie ihr Fachwissen oder verpackt es mit viel Wortwitz in diversen Büchern. Hierzu lässt sie sich täglich durch ihre Meute inspirieren – aktuell bestehend ausBeagle-Hündin Andra, Beagle-Rüde Herr Meier und Chihuahua-Mix-Rüde Piccolo.
Warum gerade die kleinen „Macken“ eines Vierbeiners wichtig sind, und wie man den Humor auch in schwierigen Lebens- oder Erziehungsphasen nicht verliert, verrät Sophie Strodtbeck unserer FRITZ & ANNA Autorin Sabina Pilguj …
Hündin Güneş (türkisch für „Sonne“) hat Sie zu Ihrer Arbeit als Autorin inspiriert. Wie hat das „Dönertierchen“ Ihr Herz erobert?
Sophie Strodtbeck: Dafür musste sie nicht viel tun, sie war einfach da. Güneşhat es schnell geschafft, dass ich sie genau so wollte, wie sie war. Trotz – oder wegen – all ihrer „Macken“. Sie war ein ganz besonderer Hund. Einerseits extrem unsicher, hysterisch und zerbrechlich, andererseits ist mir selten ein Vierbeiner begegnet, der in vielem so klar und eindeutig war. Ich konnte sie lesen wie ein offenes Buch und habe dadurch wahnsinnig viel über Hunde gelernt. Dafür bin ich sehr dankbar!
Welches ist Ihrer Meinung nach der größte Fehler, den man bei der Welpenerziehung machen kann?
Wenn es den Fehler gibt, dann vielleicht dass viele Hunde bereits im Welpenalter überfordert werden. Heutzutage lernen die meisten Hunde keine Ruhe mehr, was im weiteren Alltag oft zu Problemen führt. Man gibt sich viel Mühe mit der Prägung und Sozialisierung und schießt dabei oft über das Ziel hinaus. Vielen ist nicht bewusst, dass „use it or loose it“ (in der Pubertät werden bis dahin nicht benötigte Verbindungen zwischen den Nervenzellen abgebaut) genauso für die hemmenden Netzwerke im Gehirn gilt. Hunde, die bis dahin nicht gelernt haben zu entspannen, lernen dies häufig auch nicht mehr. Solche Tiere tauchen immer öfter in unserer verhaltensmedizinischen Beratung auf und haben genauso viel Stress, wie die dazugehörigen Halter.
Die Phase der Pubertät ist manchmal eine wilde Zeit, in der Hunde plötzlich alles Erlernte wieder zu vergessen scheinen. Warum ist das so?
„Wegen Großbaustelle geschlossen“ oder „Dieser Anschluss ist vorübergehend nicht besetzt“ trifft es ganz gut. In der Pubertät ist das Gehirn eine einzige Baustelle – das Verhalten bewegt sich weg vom infantilen, emotionalen und hin zum rationalen, erwachsenen. Die gute Nachricht: die Pubertät geht vorbei, sie ist nur ein Lebensabschnittsgefährte. Und wenn man diese aufregende Zeit mit seinem Hund gemeinsam überstanden hat, kann einen danach kaum mehr etwas aus der Ruhe bringen.
„Ich habe die unperfektesten perfekten Hunde der Welt!“
Sie schreiben auch über ein Thema, das wohl jeder Hundehalter gerne verdrängt: das Abschiednehmen.
Ich glaube, man muss sich beizeiten mit dem Tod auseinandersetzen, denn er ist ein „Arschloch“ und steht irgendwann unangemeldet vor der Tür. Früher habe ich immer gesagt, man muss seine Feinde kennen, um gegen sie kämpfen zu können. Inzwischen habe ich meine Unterlegenheit eingesehen. Ich habe akzeptiert, dass der Tod zum Leben gehört, wie der Schatten zum Licht und der Morgen zum Abend. Hunde sind Lebensabschnittsgefährten und wenn alles richtig läuft, gehen sie vor uns. Wir können entweder verzweifelt sein, über das was nicht mehr ist, oder dankbar für das, was war. Meine Lehre aus dem Leben mit dem Tod ist, dass ich wesentlich bewusster bin. Das gilt für mich selbst sowie für den Umgang mit anderen Menschen und Tieren. Das Wissen, dass die gemeinsame Zeit begrenzt ist, führt dazu dass ich Momente viel mehr schätze und sie als kostbare Erinnerung behalte.
Sie sind in der Hundeverhaltensmedizin tätig und beraten Halter bei Fragen und Problemen rund um den Vierbeiner. Fühlen Sie sich manchmal beäugt, wenn die eigenen Tiere sich nicht als „Musterhunde“ präsentieren?
Tatsächlich höre ich in Seminaren oft, dass es toll sei, wie ich zu den „Macken“ meiner Hunde stehe. Ich sehe aber gar keine „Macken“, sondern liebenswerte Besonderheiten, die zu ihren Persönlichkeiten gehören. Die perfekten Hunde fände ich persönlich völlig langweilig. So wie meine Hunde sind, sind sie genau richtig – auch wenn sie mich immer wieder in den Wahnsinn treiben. Und würde ich den perfekten Hund haben wollen, wäre ein Beagle sicherlich die falsche Wahl!
Ich glaube, es ist generell eine Frage der Perspektive und eigenen Haltung: Ich liebe zum Beispiel an meinem Beagle Herr Meier seine bewundernswerte Souveränität, seinen unglaublichen Mut und seine ausgeprägte Eigenständigkeit. Aber diese Eigenschaften führen nicht unbedingt zu einem „Will to please“ (der Wille zu gefallen). Auch wenn meine Vierbeiner alle die Begleithundeprüfung bestanden haben, lege ich auf formalen Gehorsam keinen Wert. Dafür bin ich unglaublich froh über ihre Sozialverträglichkeit mit Menschen und anderen Tieren, über ihre mentale Stärke und ihren tollen Charakter. Dieser macht sie aus, nicht das Fuß-Gehen auf der linken Seite mit Blickkontakt.
Vielleicht wäre das Leben als Hundehalter einfacher, wenn wir nicht so Defizit-orientiert denken, sondern unseren Fokus mehr auf die Stärken unserer Begleiter legen. Und wenn wir Hunde in ihrer eigenen Persönlichkeit respektieren. Ein Beagle wird niemals ein Border Collie, und das ist auch gut so!
INTERVIEW Sabina Pilguj // FOTO Sophie Strodtbeck, Ulla Bergob (Autorenfoto)
WEITERE INFORMATIONEN
www.strodtbeck.de